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In der Tschechoslowakischen Republik

Am 28. Oktober 1918 entstand – nach drei Jahrhunderten der Unfreiheit – die unabhängige Tschechoslowakische Republik. Die Nachricht darüber ging am selben Tag abends per Telegramm auf dem Stadtamt ein, in welchem stand, dass Böhmen, Mähren und die Slowakei einen eigenständigen, von der österreichischen Monarchie unabhängigen Staat gebildet haben. Die Neuigkeit verbreitet sich in Windeseile in der gesamten Stadt und wurde mit Begeisterung von den Einwohnern aufgenommen. In dieser Nacht hat kaum jemand geschlafen, und bereits im Morgengrauen wehten die Fahnen in den Nationalfarben an den Häusern. Seit der Früh marschierten Menschenmengen mit Musik durch die Straßen. Alle freuten sich über die neue Freiheit.

Am Nachmittag des 29. Oktober wurde der Direktor der hiesigen Bürgerschule Adolf Sýkora zum Nationalausschuss in Slezská Ostrava entsendet, um mit dem Vorsitzenden Dr. Ferdinand Pelc und dem Abgeordneten für den Landkreis Ostrava, Jan Prokeš, die Vorbereitungen für die Ernennung eines Nationalausschusses für den politischen Bezirk Bílovec mit Sitz in Klimkovice zu besprechen. Die deutschen Abgeordneten für Nordmähren lehnten nämlich die neue Republik ab, bildeten aus den von Deutschen besiedelten Gebieten Nordmährens und Schlesiens das sog. Sudetenland und verlangten dessen Abtrennung von der Tschechoslowakischen Republik. Da der deutsche Bezirkshauptmann in Bílovec Josef Benda ähnlicher Ansicht war, wurde die Stadt Klimkovice zum Sitz des Bezirksausschusses gewählt.

Nach seiner Rückkehr aus Slezská Ostrava besuchte Adolf Sýkora die Versammlung der Gemeindevertreter, die am Abend die Selbständigkeit feiern wollte, und informierte sie über die vorgeschlagenen Personen für den Nationalausschuss. Die Vertretung wurde anhand der Ergebnisse der letzten Reichswahlen festgelegt, bei denen die Sozialdemokraten und die Agrarpartei jeweils 4 Mandate und die Volkspartei 2 Mandate erhielten.

Nach der feierlichen Versammlung der Stadtvertreter, die auch eine Lobrede an den Nationalausschuss in Prag übermitteln ließen, versammelten sich die Menschen mit Lampions, denen sich ab 19 Uhr auch Umzüge aus Svinov und Polanka anschlossen. Es waren an die zweitausend Menschen, angeführt vom Stadtgremium und Bezirksausschuss sowie mit den Mitgliedern des Sokol-Turnvereins, den Feuerwehrmännern in Uniformen und Bürgern mit musikalischer Begleitung. Dieser feierliche Umzug ging zur denkmalgeschützten Linde auf der Anhöhe Na Láni und kehrte dann zum Hauptplatz zurück, wo auf der Tribüne vor dem Rathaus das Telegramm mit der Nachricht über die Gründung der Tschechoslowakischen Republik vorgelesen und das Lied „Wo ist meine Heimat“ gesungen wurde. Der Jubel und das Hochlebenlassen der neuen Republik nahmen kein Ende.

Am 30. Oktober trat der Bezirks-Nationalausschuss in Klimkovice seine Funktion an. Die Vorsitzenden reisten nach Bílovec ab, wo sie sich dem Verwalter des Bezirks, Landeshauptmann Benda vorstellten und ihn baten, der Tschechoslowakischen Republik die Treue zu schwören. Doch sie wurden damit abgelehnt, dass die deutschen Gemeinden im Bezirk Bílovec auch weiterhin von seinem Amt verwaltet würden. Nach weiteren Verhandlungen wurde entschieden, dass Bílovec auf militärischem Wege zu Gehorsam gezwungen wird. Am 3. Dezember 1918 wurde aus Klimkovice das Militär entsandt.

Nach diesem Einsatz wurde der Sitz des Bezirks-Nationalausschusses nach Bílovec verlegt, was eine Protestwelle bei den Stadtvertreten in Klimkovice auslöste. Es wurde nämlich angenommen, dass die neue Republik mehr Verständnis für die politische Sichtbarmachung und den wirtschaftlichen Aufschwung dieser einst übersehenen tschechischen Kleinstadt in Schlesien aufbringen würde. Mit der Tatsache, dass Klimkovice nicht mehr die Bezirksstadt war, konnten sich die Stadtvertreter lange nicht abfinden. Am 2. November 1925 übermittelte der Stadtrat an die zuständigen Ministerien in Prag ein umfassendes Memorandum, in welchem die Gründung des politischen Bezirks Klimkovice begründet und verlangt wurde. Ein ähnliches Memorandum wurde noch einmal im Jahr 1934 nach Prag gesendet. Obwohl dieses Ansuchen von allen umliegenden Gemeinden unterstützt wurde, wurde es abgelehnt und Klimkovice blieb auch weiterhin nur der Sitz des Bezirksgerichts und Bezirksnotariats.

1919 wurden die Nationalausschüsse aufgelöst und durch Gemeindevertretungen ersetzt. Hierbei handelte es sich um Organe, die für vier Jahre gewählt wurden. Bei Wahlen kämpften die politischen Parteien um Mandate, d. h. um die Anzahl der Sitze in der Gemeindevertretung. In Klimkovice gab es in der Ära der sog. Ersten Republik jeweils 30 Mandate zu vergeben, die unter 6 – 8 politischen Parteien aufgeteilt wurden. In allen Wahlen siegten die Sozialdemokraten mit durchschnittlich 12 – 15 Mandaten. Die zweitstärkste war die Volkspartei mit 6 – 8 Mandaten. Die übrigen Parteien, die Gewerbepartei, die Republikaner, Nationaldemokraten, Deutschen und später auch die Nationalsozialisten und Kommunisten hatten jeweils 2 – 4 Mandate.

Die Stadt hatte zahlreiche Herausforderungen zu meistern. Darunter war die größte Hürde die Lösung des Wohnungsproblems für die stetig wachsende Bevölkerung, die in zehn Jahren um 400 Menschen angewachsen war. Damals entschied man sich, Baugenossenschaften zu gründen. Für diese wurden die Grundstücke eines großen Gutes gekauft, die dann zu günstigen Preisen an die Interessenten verkauft wurden, unter der Bedingung, dass sie innerhalb von drei Jahren ein Einfamilienhaus darauf bauen. Zu den berühmtesten damals erbauten Häusern gehören die Villen von Václav Štěpánek und Dr. med. Josef Podivínský in der heutigen Straße Jarmily Glazarové, die nach den Plänen des Architekten Gajovský aus Moravská Ostrava errichtet wurden.

Einen fortschrittlichen Ansatz zeigte der Stadtrat beim Elektrifizieren der Stadt, was der Chronik nach den Bürgern fast schon aufgezwungen werden musste, obwohl die Stadt von den Gesamtkosten von 700 000 CZK den Betrag von 520 000 CZK übernahm. Schließlich gelang das Vorhaben und in Klimkovice leuchteten am 21. Oktober 1921 zum ersten Mal die Glühbirnen auf. Die Gemeinde Josefovice wurde erst zehn Jahre später an das Stromnetz angeschlossen.

Die in den Jahren 1920 – 1925 stattfindende Grundstücksreform bot zwar die Möglichkeit an, landwirtschaftlichen Boden der ehemaligen Herrschaft der Adelsfamilie Wilczek zu erwerben, doch schließlich fiel auf 1 Antragsteller nur rund 1 Hektar Boden. Der restliche Boden wurden zu großen landwirtschaftlichen Betrieben zusammengeschlossen. Denn der Großteil der Bevölkerung arbeitete in den Industriebetrieben in Ostrava und war nur nebenberuflich in der Landwirtschaft tätig, was die Gruppe der sog. Metall-Landwirte entstehen ließ.

Um das kulturelle Geschehen in der Stadt kümmerten sich die hiesigen Vereine, deren Tätigkeit breit gestreut war. Unvergessen bleibt die erste Filmvorführung im Kinosaal der Sokol-Turnhalle im Jahr 1924.

Während in den Anfangsjahren nach der Gründung der Ersten Republik das Leben friedlich verlief, neigte sich dann in den Dreißigern alles dem dramatischen Ende zu. Der aufkommende Faschismus und Nationalsozialismus in Deutschland raute die ruhige Oberfläche des politischen Lebens in der Tschechoslowakei auf. Dass sich die Ereignisse in Klimkovice nicht so dramatisch entwickelten, wie in der Umgebung, ist darauf zurückzuführen, dass hier die deutsche Bevölkerung nur eine ganz kleine Minderheit ausmachte. Doch auch diese wenigen Bürger deutscher Nationalität bereiteten der Stadt ihr trauriges Schicksal vor.